Warum Vogelgesang den Sonnenaufgang begleitet: die verschiedenen Theorien der Ornithologen

Wir alle wissen, dass Vögel es lieben, morgens kurz vor Sonnenaufgang zu singen und den Sonnenaufgang mit ihrer Melodie zu begleiten. Aber was ist der Grund für diese tief verwurzelte Gewohnheit? Gibt es einen bestimmten Grund, warum sie das tun?

Vogelgesang am Morgen: der Chor der Morgenröte

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Das Tierreich hat seine eigenen Regeln und Gewohnheiten, genau wie das Menschenreich. Jede Art kultiviert ihre eigenen Kommunikationsstrategien, legt Rollen innerhalb von Gruppen fest und zeigt Verhaltensweisen, die wir nicht immer verstehen. Dazu gehören auch die Vögel, die eine besondere und tief verwurzelte Angewohnheit haben: Sie beginnen bei Sonnenaufgang zu singen, etwa dreißig Minuten vor Sonnenaufgang. Wie oft haben Sie, wenn Sie sehr spät nach Hause kamen oder früh aufgewacht sind, ihre Melodie in der Luft gehört? Oder haben Sie schon einmal die Augen geöffnet, ohne zu wissen, wie spät es ist, aber den Beginn des Tages genau an ihrem Gesang erkannt?

Obwohl wir an diese Eigenschaft der Vögel gewöhnt sind, weiß nicht jeder, warum sie dies tun. Zunächst einmal ist dieser Gesang, der so genannte Dämmerungschor, eines der wichtigsten und typischsten Zeichen des Frühlings: Die Gesangsmelodie der kleinen Vögel entspricht der Ankunft der schönen Jahreszeit, wenn die Natur erwacht, zwischen März und Juli, mit größerer Intensität im Mai und Juni. Dieses wilde Zwitschern ist unverkennbar, und der Chor besteht zunächst nur aus einigen wenigen Stimmen, die immer zahlreicher und hörbarer werden, je mehr Vögel sich der Gruppe anschließen. Normalerweise gehören die ersten Stimmen Amseln, Drosseln und Rotkehlchen, gefolgt von Nachtigallen, Ringeltauben und Zaunkönigen. Spatzen, Finken und Meisen kommen als letzte hinzu, wenn das Licht bereits sichtbar ist.

Warum männliche Vögel vor der Morgendämmerung singen

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Bei den ersten Vögeln, die wir vor der Morgendämmerung singen hören, handelt es sich meist um Männchen, die ihr Revier schützen wollen, indem sie ihre Anwesenheit ankündigen, und die gleichzeitig auf ein potenzielles Weibchen warten. Der Beginn eines neuen Tages ist entscheidend für die Festlegung von Grenzen und die Bestimmung der Zugehörigkeit von Vögeln, die dasselbe Gebiet teilen. Die Fachleute haben verschiedene Theorien und Hypothesen zu diesem Thema: Lange Zeit war die am weitesten verbreitete und geteilte Vorstellung, dass die frühen Morgenstunden die ideale Zeit sind, um den Gesang zu verbreiten und ihn dank der Kühle und Trockenheit der leichten Luft über größere Entfernungen erklingen zu lassen. Ebenso glaubte man, dass die Weibchen mehr von Vögeln angezogen werden, die ihren Gesang über größere Entfernungen verbreiten können.

In den 1990er Jahren wurde diese Theorie jedoch durch die Beobachtung des Gesangs von zwei Spatzen, einem Wald- und einem Prärievogel, in Frage gestellt. Ihr Gesang konnte nämlich in der Morgendämmerung und zur Mittagszeit dieselben Entfernungen zurücklegen, wodurch die Hypothese widerlegt wurde, dass die Zeit vor der Morgendämmerung für die Ausdehnung des Gesangs bevorzugt wurde. Der Grund dafür, dass der Gesang vor Sonnenaufgang tatsächlich laut und deutlich wahrgenommen wird, liegt vor allem in der Windstille: Diese Bedingung ermöglicht es den Vögeln, ihre Anwesenheit an einem bestimmten Ort stark zu betonen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, ob sie auf größere oder kleinere Entfernungen gehört werden, aber deutlich und unterscheidbar von den Vögeln in der Umgebung.

Eine andere Hypothese besagt, dass unabhängig von den Witterungsbedingungen derjenige Vogel, dem es gelingt, am frühen Morgen lauter als die anderen zu singen, wenn er aufgrund der Dunkelheit der Nacht noch nicht auf Nahrungssuche gehen konnte, sich als der stärkste und kräftigste erweist und damit das Interesse der Weibchen weckt.

Vogelgesang in der Morgendämmerung - ein Balzverhalten?

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Seine Stimme zu erheben, ohne "gefrühstückt" zu haben und nachdem er eine Nacht in der Kühle verbracht hat, verbraucht viel Energie: Nur die zähesten und ausdauerndsten Männchen können dieses Kunststück vollbringen, um den Weibchen zu beweisen, dass sie ideale Partner sind, während sie potenzielle Rivalen auf Abstand halten. Es gibt aber auch eine andere Theorie, die sich auf einen plötzlichen Abfall des Schlafhormons Melatonin am Morgen bezieht: Dies erklärt jedoch nicht, warum die Vögel zu singen beginnen und welchen Vorteil sie daraus ziehen würden. Die Hypothese, dass das morgendliche Singen zu einem Anstieg der Androgenhormone führt, die Partner anlocken können, wird hingegen von mehreren Forschern unterstützt: Das Singen zu Beginn des Tages könnte die Vögel dazu prädisponieren, in den frühen Morgenstunden erfolgreicher in sozialen Interaktionen zu sein.

Der Gesang in der Morgendämmerung scheint ununterscheidbar und das ganze Jahr über gleich zu sein, aber das ist nicht der Fall: Je nach Jahreszeit und Fortpflanzungszeit der verschiedenen Arten klingen die Melodien anders. Bei den Kohlmeisen wurde beispielsweise festgestellt, dass der Gesang der Männchen in der Nähe der Fortpflanzungszeit der Weibchen eindringlicher wird und dann abnimmt. Aber warum ist die Qualität des Gesangs der Männchen für die Weibchen so wichtig? Es handelt sich um das so genannte "ehrliche Signal": Vögel mit besser entwickelten Gesangsfähigkeiten haben während der Entwicklungsphase wahrscheinlich ausreichend Nahrung erhalten und verfügen daher über eine bessere Fitness und Immunität. Das macht sie als Geschlechtspartner attraktiver.

Auf jeden Fall hängen die Variationen des Gesangs sowie die Anfangs- und Endzeiten sowohl von der geografischen Region als auch von der hierarchischen Organisation der verschiedenen Arten ab: Ein wunderbares Geheimnis der Natur, das der Mensch zu erklären versucht hat, das aber nicht endgültig bestätigt werden kann und das wir nur bewundern können.